Leider wird vielfach suggeriert, die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung sei in Deutschland geltendes Recht. Das trifft nicht zu, ebenso wenig sind Richtlinien der EU geltendes Recht. In Deutschland rechtlich verbindlich sind nur Richtlinien, die im deutschen Recht tatsächlich verankert sind.
Richtig ist allerdings, dass deutsche Gesetze nicht gegen ratifizierte UN-Konventionen verstoßen dürfen. Jeder Betroffene hat das Recht, gegen solche Gesetze zu klagen und sofern seine Auslegung rechtlich korrekt ist, muss das Gericht ihm auch Recht geben. Gerichte sind verpflichtet, bei ihren Urteilen die UN-Konvention zu berücksichtigen. Es hat schon einige Urteile gegeben, in denen Richter sich auf die Konvention berufen haben.
Ein wenig muss das noch eingeschränkt werden: Es reicht nicht, festzustellen, dass ein Gesetz oder eine Verordnung gegen die BRK verstößt: Alle Einrichtungen sind zunächst gehalten, sich an geltende Gesetze zu halten. Nur der Gesetzgeber oder die Gerichte können entscheiden, ob ein Gesetz gültig ist oder nicht. Wenn niemand gegen ein Gesetz klagt, bleibt es natürlich in Kraft.
Auch die Europäische Union spielt eine gewichtige Rolle. Die von ihr erlassenen Richtlinien müssen in nationales Recht umgesetzt werden. Dabei genießen die einzelnen Länder einen gewissen Spielraum, allerdings sollte dieser nicht zu großzügig ausgelegt werden, da es sonst Ärger von der EU-Kommission gibt. Die EU arbeitet mit der üblichen Gemächlichkeit solcher Organisationen an Richtlinien zur Barrierefreiheit, so dass sie in den nächsten Jahren eine gewichtigere Rolle übernehmen wird.
Die RICHTLINIE (EU) 2016-2102 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 26. Oktober 2016 über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Apps ist bereits 2016 in Kraft getreten. Sie harmonisiert EU-weit die Richtlinien zur Web-Barrierefreiheit und erlässt allgemeingültige Anforderungen.
Der European Accessibility Act wurde 2019 verabschiedet und wurde im Mai 2021 in Form des Barrierefreiheits-Stärkungs-Gesetzes in deutsches Recht umgesetzt. Er schließt Produkte wie Banken, öffentliche Verkehrsbetriebe, eCommerce oder eBooks mit ein. Zum ersten Mal werden damit private Einrichtungen in der EU zur Barrierefreiheit verpflichtet.
Wichtig ist zudem die EU-Norm 301 549 in der jeweils aktuellen Fassung. Sie legt Anforderungen zur Barrierefreiheit von Informationssystemen und grafischen Benutzeroberflächen fest. Sie ist eine Basis für die Richtlinien zur Barrierefreiheit von Webseiten und PDFs und wird wahrscheinlich auch maßgeblich für den EU Accessibility Act.
Für uns relevant ist zudem die EU-Richtlinie 2018/1808 über den Zugang zu audio-visuellen Medien. Sie soll für mehr Barrierefreiheit im Radio und Fernsehen sorgen. Auch in den Vergaberichtlinien der EU wird Barrierefreiheit gefordert:
In Deutschland ist die Barrierefreie Informationstechnik Verordnung BITV 2.0 aus dem Mai 2019 maßgeblich. Sie enthält seitdem keine eigenen Richtlinien zur Barrierefreiheit mehr, sondern verweist auf harmonisierte Normen wie die EN 301 549 in der jeweils aktuellen Fassung, die wiederum auf die WCAG 2.1 AA verweist. Anders gesagt sind die Richtlinien aus der WCAG 2.1 AA sowie die EN 301549 die Basisanforderung für barrierefreie Webseiten in Deutschland. Hier ist zu beachten, dass die Bundesländer eigene Bestimmungen erlassen können, die aber nicht hinter den Anforderungen der WCAG 2.1 AA zurückbleiben dürfen. Die BITV verweist außerdem darauf, dass an zentrale Angebote bzw. Bestandteile von Angeboten wie Formulare höhere Anforderungen erfüllt werden müssen, diese sind aber bislang nicht spezifiziert (BITV 2.0, § 4, Abs 4 ff.. ).
Es gibt außerdem eine spezielle Verordnung zur Barrierefreiheit von Dokumenten für Blinde und Sehbehinderte in Verwaltungsverfahren.
Für eGoverment-Verfahren wird im Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung (E-Government-Gesetz – EGovG) in § 16 festgelegt, dass diese barrierefrei ausgestaltet werden müssen. Ein weiteres Regelwerk ist das Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts. Es fordert barrierefreie Leistungen von den Auftragnehmern.
Aktuell gibt es außer dem Barrierefreiheits-Stärkungs-Gesetz keine Gesetze, die private Einrichtungen dazu verpflichten, Barrierefreiheit zu berücksichtigen. Es gibt diverse Richtlinien zur Gestaltung von Arbeitsplätzen oder zur Software-Ergonomie, die man mit gutem Willen so auslegen kann, dass sie auch behinderten Menschen zugute kommen. Sie decken allerdings nur ein paar Basisanforderungen ab.
Ein Hebel, um Unternehmen zu mehr Barrierefreiheit zu bewegen ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz sowie spezieller das Behinderten-Gleichstellungsgesetz. Es verpflichtet alle Organisationen – ob privat oder öffentlich – dazu, alle Menschen gleich zu behandeln. Und dieses Gesetz sieht tatsächlich Strafen vor, sofern ein Verstoß nachgewiesen wird.
Dabei können sogar private Anbieter verklagt werden, wenn sie Behinderte benachteiligen. Solche Klagen sind meines Wissens in Deutschland selten, aber in den USA an der Tagesordnung. So wurde ein Reiseunternehmen erfolgreich verklagt, weil seine Busse nicht für Rollstuhlfahrer zugänglich waren. Ein Fast-Food-Restaurant wurde verurteilt, weil es nach einem Umbau nicht mehr zugänglich war. In Deutschland ist das bisher nicht vorstellbar. Die Unternehmen scheinen das Thema Gleichstellung nach wie vor nur halbherzig umzusetzen.
Nun ist es kein Geheimnis, dass viele der oben genannten Regelungen oft nicht umgesetzt werden. Sofern sie rechtlich verankert sind, hat jeder Betroffene die Möglichkeit dazu, auf Einhaltung zu klagen. Nun schrecken die meisten Personen davor zurück, Klagen einzureichen. Sie sind langwierig, finanziell selten lohnend und oftmals können weder Laien noch Experten die Erfolgschancen einschätzen. Daneben gibt es das Recht zu Verbandsklagen. Dabei klagen die Vertretungsorganisationen von behinderten Menschen stellvertretend für sie.
Die Verbandsklage spielt in Deutschland bei der Barrierefreiheit bislang keine große Rolle. Die relativ kleinen Behinderten-Organisationen haben vermutlich weder die finanziellen Ressourcen noch die rechtliche Expertise, um solche langwierigen Klagen durchzuführen.
Ein eher kooperativ angelegtes Instrument sind Zielvereinbarungen. Sie werden in der Regel zwischen Behinderten-Verbänden und Organisationen wie Unternehmen oder Behörden geschlossen. In den Zielvereinbarungen werden konkrete Pläne dazu vereinbart, wie die Organisation für mehr Barrierefreiheit sorgen kann. Dabei kann es um die Barrierefreiheit der Infrastruktur wie Bankautomaten oder auch um die Arbeitsplätze gehen.
Organisationen sind nicht dazu verpflichtet, Zielvereinbarungen abzuschließen. Außerdem sind die in Zielvereinbarungen festgelegten Regeln nicht einklagbar. Es handelt sich um Selbstverpflichtungen, deren Nicht-Einhaltung keine negativen Folgen haben.
Davon zu unterscheiden sind Aktionspläne. Sie werden innerhalb von Organisationen entwickelt, um mittel- bis langfristig die Organisation inklusiver zu gestalten bzw. die Behindertenrechtskonvention umzusetzen. Dazu gehören natürlich auch Maßnahmen, um die Organisation barrierefreier zu gestalten.
Am Arbeitsplatz ist natürlich die Arbeitsstättenverordnung wichtig. Daneben gilt auch das Behinderten Gleichstellungsgesetz, das hauptsächlich auf das Thema Arbeit abzielt.
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